letzter Reisebericht 2011

Franz von der (franz) on 01.10.2011

Ronjas letzter Reisebericht 2011

Hallo liebe Reisebegeisterte, Freunde, Verwandte, Interessenten dieses Reiseberichts und Mama.

Jawohl, es war Crew-Wechsel auf der Ronja III, und nun bin ich (Stefan/Sohn) nach mehrfacher Rüge des Familienfeldwebels damit beauftragt worden diesen Reisebericht zu verfassen.
Der besagte Crew-Wechsel war schon am 17. September und ich möchte mich auch gleich dafür entschuldigen, dass ihr nicht schon früher vom Leben auf dem kleinen Ozean – genannt Marmarameer – erfahren habt. Natürlich musste ich mich selbst erst einmal einleben und die Eindrücke auf mich wirken lassen. Deshalb nehmen wir die Verspätung jetzt mal nicht so genau

Die erste Woche vom 17. – 25. September war noch ein Freund von mir mit an Bord, Alexander Falk.
Alex ist begeisterter Fotograf, seines Zeichens Besitzer einer Canon 60D, und hat innerhalb dieser einen Woche an die 500 Fotos gemacht. Und weil der Franz ja auch eine Canon besitzt haben sich die beiden gut angefreundet. In der einen Woche mit Alex hat der Kapitän der Ronja III wahrscheinlich mehr über das Fotografieren gelernt, als zu seiner gesamten vorigen Lebzeit. Und wer profitiert davon? Natürlich: Ihr! Seine durchaus gesteigerten Fähigkeiten könnt ihr ja an den Impressionsbildern erkennen. Vielen Dank an dich Alex.
Aber zurück zum Thema: In besagter Woche wurde das harte Touristenprogramm durchgezogen. Ein bisschen hier Motoren, ein bisschen da mit dem Segel fummeln, einmal kurz an einer Schott (für die dies nicht wissen das ist ein Seil/Schnur/dicker Faden der an nem Segel hängt) gezogen und schon liegen wir in einem kleinen Fischerhafen fast direkt in Istanbul. Von hier aus ging es kreuz und quer durch die Stadt, rauf zur Blauen Moschee, kurz an der Hagia Sofia (Museum) vorbei und wieder runter für ein Stückchen Suzuk. Suzuk ist ein recht günstiges einheimisches Essen bestehend aus Brotteig und Schafskäse. Außen krustig innen schön glitschig. Hat was, und solltet ihr unbedingt mal probieren wenn ihr mal in der Türkei seid, aber natürlich nicht ohne einen Cay. Cay ist der türkische Tee den du hier an jeder Straßenecke bekommst und dich oft auch gar nichts kostet, wenn du nett lächelst und noch n Foto vom Ladenbesitzer machst. Schmeckt wie Schwarztee und du kannst auch nie das ganze Glas (etwa zwei Stamperl) austrinken weil die Teeblätter noch am Boden des Trinkgefäßes schwimmen. Aber wie gesagt, kost fast nix und was nix kostet wird mitgenommen

Nach diesem Kulturschock der Kapitän uns Stadt Jungs ein ruhiges Plätzchen zum Entspannen schmackhaft gemacht. Problem hierbei war nur: Wir müssen durch den Bosporus. Hört sich einfach an, aber knapp 25 Seemeilen durch die Berufsschiffahrt, wo ein Frachter gut über hundert Meter hat, und gegen die Strömung ist für die kleine acht Meter Ronja schon eine Herausforderung. Aber so eine Bucht schien der perfekte Ort für Fotos und ein bisschen Ruhe um die Arbeit zu vergessen. Also sind wir abenteuermäßig, fast hörte man schon die Indiana Jones Musik in seinem Kopf, aufgebrochen um den Bosporus zu bezwingen. Auf Ansage vom Kapitän gings auch früh los. Was er aber dabei nicht bedacht hat war: Die einzigen Türken die vor 10 Uhr morgens zu arbeiten beginnen, sind die von der Berufsschifffahrt auf den hundert Meter Frachtern. Wir fanden uns also am Eingang des Bosporus wieder umringt von drei Fähren, zwei Frachtern und weiterer kleiner Nussschalen wie wir in diesem Falle eine waren. Da bekommt man schon gehörig Muffensausen wenn man nicht recht weiß welcher Welle von welchem Dampfer oder Frachter man zuerst ausweichen soll. Aber der Käptn hat das gemeistert. Ein bisschen hier Gas geben, ein bisschen da den Rückwärtsgang einlegen, kurz warten, nett winken für die Passagiere auf der Fähre und dann mit Vollgas ab durch die Mitte. Was soll man sagen, die Taktik ging auf und nach den ersten fünf Meilen im Bosporus war sogar noch Zeit für einen Kaffee. Wie cool sind wir denn????
Angekommen an der Bucht muss man feststellen. Von außen top, von innen Flop. Sie sah zwar recht nett aus, doch als wir mit dem Beiboot den Strand unsicher gemacht haben, sahen wir nur noch Müllberge. Soll jetzt nicht pragmatisch klingen, aber das Gefühl wie aus der Raffaelo Werbung kam da nicht auf. Eher ein Gefühl wie Bauer sucht Frau, oder genauer: Alex sucht Kuh! Ihr habt richtig gelesen: Kuh! Am Strand liefen zwei Kühe Herren- oder besser gesagt Bauernlos herum. Sie haben die Bars unsicher gemacht und sich am Strandgemüse vergriffen. Hierzu gibt es auch ein kleines Video, das wahrscheinlich im November auf die Internetseite geladen wird. Denn, wer es nicht weiß, ich hatte auch meine Kameras dabei und da ich ja begeisterter Videojournalist bin, gibt’s noch nen Videoreisebericht. Der ist dann dazu da um das Reisefieber über die „Nicht-Segel-Saison“ aufrecht zu erhalten.
Wie ihr euch vorstellen könnt, sind wir nur eine Nacht in der Bucht geblieben. Das Touristenprogramm macht sich schließlich nicht von allein durch. Also zurück durch den Bosporus und ab auf die Prinzeninseln. Und da war sie! Die Bucht! Wie aus der Raffaelo Werbung! Mein Gott, das muss man gesehen haben, das ist unbeschreiblich. Deswegen lass ich das jetzt auch. Wir lagen da aber zwei Tage.
Die Woche mit Alex ging gefühlt auf zwei Tage vorbei, haben uns ja auch fast ständig abgehetzt. Alex falls du das liest, nicht böse sein, aber ich bin ja jetzt schon drei Wochen auf dem Schiff und Fahrtensegeln ist wirklich etwas ruhiger. Hat viel mit schlafen zu tun
Zurück zum Thema, er ist wohlbehalten zuhause angekommen und überlegt sich was er mit den Fotos macht. Indess wir natürlich Segel gesetzt haben. Und zwar, wie war’s anders zu erwarten: Richtung Prinzeninseln in die Raffaelo Bucht. Das war dann wirklich ausspannen. Nach drei Tagen meldeten sich dann aber meine fettigen Haare bemerkbar. Das bisschen was ich noch hab, denn die Gene machen sie durchaus schon bemerkbar. Ich wollte duschen! Ging in der Bucht recht schlecht, da ich nicht unter die „High-Tech-Solar-Camping-Dusche“ wollte. Tolles Wort, das ist n schwarzer Beutel mit Wasser drin. Wobei die schwarze Fläche dafür sorgen soll, dass sich das Wasser über den Tag aufwärmt. Pustekuchen, ich wollte unter eine zivilisierte Dusche! Also hab ich den Käptn nach etwas zaudern überredet den Anker zu lichten und Segel Richtung Penting zu setzen. Kurz vorweg, in Penting war ich bis heute noch nicht, denn die Mächte der Natur wollten es anders. Schon in der Bucht ist uns der Wind mit etwa vier Beaufort um die Ohren gesaust. Ich dachte: „Is ja ned so gach, bei am vira ko ma no sägln.“ Außerhalb der Bucht, und etwas weiter von den Inseln entfernt entwickelte sich dieser kümmerliche vierer aber zu einem herzhaften Fünfer und dann sogar zu einem gewaltigen Siebener. Den Wind auf der Schnauze, die Wellen schon fast im Boot und Penting in Sicht mussten wir uns entschließen abzudrehen und den leichteren Rückenwindkurs zu steuern. Fast zwanzig Seemeilen Richtung Yalova. Wären wir die drei Meilen nach Penting weiter gesegelt hätten wir mit der Geschwindigkeit von knapp über einem Knoten etwa drei Stunden gebraucht. Für die zwanzig nach Yalova brauchten wir vier, fühlten uns aber sicherer. Ihr könnt euch das so vorstellen: Segelst du am Wind gegen die Wellen tauchst du ständig mit dem Bug ins Wasser und schwankst stark seitlich hin und her. In der Seglersprache „rollen“ genannt. Hast du Wellen und Wind von hinten schwankst du zwar immer noch, der Bug taucht aber nicht mehr wirklich ein und die Seitenbewegung nimmt auch ab. Bei fast zwei Meter Wellen, waren aber auch die vier Stunden nach Yalova ein Kampf mit den Mächten des Meeres. Die Dusche hatte ich dann auch während der Fahrt bekommen, denn zu allem Übel hatte es ja auch noch angefangen zu regnen. Strafe Gottes! Das war mir eine Lehre und die sollte in unserer Weiterfahrt noch einmal auf die Probe gestellt werden. Aber wir sind sicher in Yalova angekommen.
Die nächsten zweieinhalb Wochen gestalteten sich recht einfach. Typisches Fahrtensegeln eben. Fahr  da hin, guck dir Häuser an, fahr weiter, trink nen Cay, fahr noch eins weiter und guck dir wieder Häuser an, und fahr dann wieder zurück.
Das zurück ist hier das Entscheidende. Gestern sind wir wieder in Esenköy eingelaufen und haben die Nacht dort verbracht. Es war ein ruhiger Törn, keine weiteren Probleme. Aber in der Nacht fing dann auf einmal das Boot an gegen den Kai zu Schrubbern. Der Käptn ist aufgestanden hat sich die Lage angesehen, kurz abgeschätzt: „Mhhmmm ja das is a sechser Wind“ und hat nochmal alles auf der Ronja III richtig fest verzurrt. Der Wind pfeifte die ganze Nacht über um das Schiff und auch ich tat mich da etwas schwer mit schlafen. Beim morgendlichen Kaffee haben wir dann die Instrumente überwacht.
Franz: „Wos zoagtn des Gerät Wind o?“
Stefan: „An sechser, …. na wart…. an sima!“
Franz: „Ah geh leck, do brauch ma ned ausefoan!“
Stefan: „Des woas i a!“
Der Wetterbericht prognostizierte aber einen vierer Wind für Heute. Und der lag bisher noch nicht falsch. Also nochmal genauer hingucken. Nein: Er sagt immer noch einen vierer Wind an. Für morgen sogar einen Fünfer mit Regen. Und für Montag dann auch einen vierer, aber dann mit Gegenwind. Und was wir bereits gelernt haben: Gegenwind ist nicht schön! Wir haben die Lage länger bei unserem ausgedehnten Frühstück diskutiert. Bleiben wir liegen und fahren morgen bei stärkerem Wind und Regen, oder fahren wir am Montag bei Gegenwind und kämpfen uns durch. Die Optionen schienen denkbar ungünstig für uns zu sein. Es war als müsste man zwischen Elend, Übel und „Nah am Tod vorbei schrammen“ wählen. Immer wieder der Check auf den Wetterbericht. Immer noch zeigt er einen vierer Wind auf unserer Route an. Die Instrumente aber zeigen einen Siebener Wind in Böen. Mehrmals sind wir auf die Kaimauer geklettert um uns ein Bild von der See zu verschaffen. Außerhalb sah es tatsächlich nicht so schlimm aus, maximale Wellenhöhe von einem Meter. Der Käptn hatte zwischenzeitlich auch sein schlaues Küstenbuch zu Rate gezogen, welches da schrieb: In Esenköy und westlich davon kann das Gebirge für „Fall Böen“ sorgen. „Fall Böen“ sind Winde die den Berg herabgleiten und mit voller Wucht wieder Richtung Meer preschen. Und tatsächlich: Der Hafen in Esenköy liegt genau hinter einem Berg. Sollte es das sein? Nach längerem zaudern haben wir uns für das Übel entschieden und sind ausgelaufen. Also Schwimmweste ran, an die Laufleine gekettet und beten. Wir waren keine zweihundert Meter vom Hafen weg zeigten unsere Instrumente nur noch einen vierer Wind an. Genau wie es der Wetterbericht vorhergesagt hatte. Wir durften nur nicht zu nah an die Küste wegen den Fall Böen. Kein Problem, ruhiger Kurs, gemütlicher Törn.
Die Ronja III hat also heute ihre letzten Seemeilen 2011 im Marmarameer zurückgelegt und liegt nun ruhig in Yalova – Mit Dusche. Am Mittwoch wird sie vom hiesigen Kran aus dem Wasser gezogen und bezieht dann ihr Winterquartier. Und nach einiger Pflege wird sich auch der Käptn wieder in Deutschland blicken lassen.

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